Zweifel am Verstand

„Nun, das war ohnehin der übliche Weg: am Verstand von jemand anderem zweifeln.“

Heinrich Steinfest, Der Allesforscher, Piper Verlag, 2014

Die Geschichten von Heinrich Steinfest beinhalten manche Merkwürdigkeiten. Die Feststellung, dass wir immer erst einmal am Verstand des jeweils anderen zweifeln, scheint da ganz handfest.

Am eigenen Verstand zu zweifeln wäre ja auch wirklich viel verlangt. Das würde die Fähigkeiten zu Denken und zu Schlussfolgern in Frage stellen, ebenso die Fähigkeiten zu abstrahieren und zu argumentieren. Und da der Verstand ursächlich zu jedem Einzelnen gehört, würde auch ein Teil der gesamten Person in Frage gestellt. Das tun wir nicht für uns selbst und es ist ein gültiger Schutzmechanismus.

Gleichzeitig ist es auch Teil des Verstandes, in einer wertschätzenden Art und Weise – die eben nicht die Person insgesamt in Frage stellt – Fragen zu stellen und zu reflektieren, Alternativen zu überlegen, die Gesprächspartner und ihre Anliegen einzubeziehen. Dann geht es nicht gleich um das „Komplettpaket“ aus Verstand und Persönlichkeit, sondern um Verhalten in bestimmten Situationen. So können wir ein Feedback oder auch einen Zweifel viel besser vertragen und reflektieren.

Komisch allerdings, dass es einen Automatismus zu geben scheint, der für andere zulässt - am Verstand derer zu zweifeln - was wir uns selbst anders wünschen: ein konkretes Feedback zu beobachtbarem Verhalten.

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